Yri'lian:
Vorwärts
Yri'lian tritt in den Trakt, welcher die Gefangenen beherbergt. Zivilisten. Wenige Männer, viele Frauen und Kinder. Das allgegenwärtige Gemurmel bricht ab und Stille kehrt ein, als die Sith unter die Geschöpfe tritt.
Yri'lian lächelt und breitet ihre Präsenz langsam aus. Voran, voran. Ein bedächtiger Schritt nach dem anderen. Samtige Dunkelheit. Ein wacher und interessierter Blick. Das Bild einer jungen Frau, welche sich offen und neugierig unter diesen Menschen bewegt. Nein, sie ist nicht der Feind, oder doch? Nein, nicht sie, nicht diese Twi'lek, bestimmt nicht.
Glaubt es. Ihr spürt die... Wahrheit.
Yri'lian schmeckt die angespannte Atmosphäre um sich herum. Den Mob, der nur darauf wartet, entfesselt zu werden, sich mit dutzenden Händen und zerfleischenden Zähnen auf sie zu stürzen, sie zerreißen wollend. Dem Druck nachgeben. Das gefangene Tier in seinem Käfig, das aus einem Rasen von Gedanken und Gefühlen nur nach Rache strebt. Nach Freiheit. Nun... Freiheit sollten sie haben. Einige von ihnen zumindest.
Sie schmunzelt und geht vor zwei Menschen in die Hocke, welche sich ängstlich in der Ecke des Traktes zusammengekauert haben.
Der halbwüchsige Junge streckt unwillkürlich die Finger nach ihr aus. Gut, so, Kleiner. Durchbreche die Barriere. Versuch mich zu verstehen. Wie alt bist du? Elf, zwölf? Alt genug, um Faszination für die Schönheit der Nacht zu emfpinden. Alt genug, um dich bewusst für den Rest deines Lebens an diesen Moment erinnern zu können. Ja, du bist perfekt.
Sie lächelt den Jungen aufmunternd an und bietet ihm ihre Hand.
Seine Mutter gibt einen erstickten Laut von sich und schlägt die tastende Hand des Jungen beiseite, bevor er sie berühren, bevor er den Pakt schließen kann. Sie zieht ihn fort, weg von ihr, zurück in die schmutzige Ecke, zurück in Angst und Bedeutungslosigkeit. Yri'lian runzelt die Stirn. Sie sendet dem Jungen einen bedauernden Blick - Sie versteht uns nicht. - und sieht dann zur Mutter.
"Warum seid ihr hier?" fragt sie. Oh, wie sie darauf achtet, ihre Stimme melodisch klingen zu lassen. Freundlichkeit. Höfliches Interesse. Fürchte mich nicht. Noch nicht.
Die Frau zuckt zusammen, wie unter einem Peitschenhieb. Wut steigt in ihr hoch, Hass auf die imperialen Soldaten, welche ihr in einer Nacht das Leben zerschlagen haben. Hass auf sich selbst, weil sie es nicht verhindern konnte. Hass auf sie. Vor allem auf sie, die nun vor ihr sitzt und es wagt - es wagt!- diese Frage zu stellen.
Yri'lian nickt nur. "Ich verstehe", antwortet sie, ganz so, als ob der zornige, hilflose Wortschwall nicht nur in Gedanken ausgespien worden wäre, sondern laut in den Raum geschrien.
"Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, das es nicht persönlich war?" Nicht von mir zumindest. Ihr seid eine Taktik, ihr seid eine Hürde, nicht mehr. Wie kann ich Hass für eine Hürde empfinden? Für einen Baum, der eine Straße versperrt? Einen kleinen Hügel, den ich überwinden muss, um auf die andere Seite zu gelangen? Nein, wir müssen vorwärts gehen, immer vorwärts. Die Hügel abtragen, die Bäume beiseite räumen, damit wir nicht an den Ästen hängen bleiben. Es ist nicht persönlich.
"Nein", sagt die Frau und ihre Stimme ist rauh. Vom Feuer, vom Schreien, vom Weinen.
Yri'lian nickt wieder. "Eure Siedlung lag auf der Versorgungslinie der Republik," erklärt sie dann. "Ihr habt Republikanern Schutz, Obdach und Wasser geboten. Ihr habt republikanischen Soldaten zu einer Stellung verholfen, von der aus sie näher an unser Gebiet kommen konnten. Ihr habt unsere Feinde dabei unterstützt, unsere Leute zu töten. Alles, was uns wichtig ist, anzugreifen. Unsere Ordnung. Unser Leben. Wir haben uns gewehrt. Wir haben uns geschützt. Es war nicht persönlich. Ihr habt Euer Schicksal in dem Moment besiegelt, als ihr die Republik in Eure Häuser gelassen habt. Haben sie euch das nicht gesagt? Das Risiko, welches ihr eingeht, wenn ihr sie schützt? Wusstet ihr nicht, auf was ihr euch einlasst?"
Yri'lian spricht laut und klar. Sorgfältig formuliert. Der gesamte Raum ist so still geworden, das man den Schweiss der Gefangenen auf den Boden tropfen hören kann. Nur ein klein wenig Führung. Ein zarter Stoß der Gedanken, ein sanftes Streicheln von dunkler Macht... vorwärts, in die richtige Richtung. Ihre Richtung. Sie spürt Konfusion. Empörung über die Sith, die dort im Staub kniet und von Verteidigung redet. Von Schutz. Von Werten! Aber auch Zorn auf die Republik. Sie haben es uns nicht gesagt, als sie bei uns Halt machten. Sie sagten es uns nicht, sie nahmen unsere Gastfreundschaft, obwohl sie wussten, das sie uns den Tod bringen! Nun ist er da, der Hass nicht nur auf die Zerstörer, sondern auch auf die Zerstörten. Der hilflose Zorn von einfachen Leuten, die zwischen den Mühlrädern zweier Fronten zerrieben wurden. Schuld! Schuld liegt nicht nur auf einer Seite. Auch die Republik ist schuld, Sie hat unser Schicksal besiegelt, als sie unser Wasser trank! Als sie ihr Lager in unserer Siedlung aufschlug. Mit unseren Frauen schlief! Schuld!
Yri'lian schließt halb die Augen und atmet das berauschende Parfüm aus Hilflosigkeit, Angst und Wut ein. Ja... der Samen ist gepflanzt. Er würde wachsen. Sie sieht wieder zu Mutter und Sohn. In den Augen der Frau glänzt es. Unvergossene Tränen.
„Meine Worte lindern deinen Schmerz nicht“, bemerkt Yri'lian leise. Die Frau schüttelt den Kopf. „Das ist gut. Schmerz ist ehrlich. Hör auf ihn. Und wisse, wer ihn über dich gebracht hat.“
„Die Republik“ knurrt der Junge nun und er reisst sich aus dem Griff der Mutter los, schüttelt die ausgelaugte, erschöpfte Hülle von sich, welche ihn am Vorwärtskommen hindert. „Die Republik hat das getan!“ speit er aus und greift neuerlich nach Yri'lians Hand, während seine Mutter entsetzt aufkeucht.
„Oh...“ gurrt Yri'lian entzückt. „Du bist nicht, wie die anderen hier, nicht wahr? Du bist stark. Und du kannst die Wahrheit sehen.“ Sie drückt seine Hand bekräftigend, während er nickt. Stolzer Bursche. Schönes Kind. „Du bist wertvoll...“ flüstert Yri'lian und hebt nun auch die andere Hand, streicht dem Jungen über die Wange. Ihre Sinne tanzen über seinen Körper, streifen seine Gedanken und bewegen sich in sein Selbst, tief hinab, bis in seine Zellen, wo die Funken blitzen, ein kleines, bezauberndes Feuerwerk aus Zorn und Leidenschaft, aus plötzlichem Begehren und aus... Macht. Ihr Lächeln verbreitert sich.
Der Junge erschauert wohlig, berauscht von ihrer Präsenz in seinem Leib.
„Fangir...“, flüstert er. „Ich heiße Fangir.“
„Fangir...“, echot sie leise und spürt zufrieden, wie er erbebt, als sein Name von ihren Lippen weht.
„Ich werde dich nicht vergessen, Fangir. Und du mich auch nicht.“ Sie löst den Griff und erhebt sich, ohne sich die Mühe zu machen, den Staub von ihrer Robe zu klopfen.
Ein Versprechen. In den Augen der Mutter sieht sie etwas anderes. Blanke Angst. Sie weiß, das sie ihr Kind in diesem Moment verloren hat. Yri'lian zwinkert ihr zu. Wir beide wissen es.
Sie alle hier würden nicht vergessen.
„Ich werde einige von euch heute gehen lassen“, sagt sie in die Menge. „Ohne Bedingungen. Diejenigen, die verstehen. Die Starken.“
Yri'lian verlässt den Gefangenentrakt.
Die Weichen waren gestellt, die Figuren bewegt. Das Spiel nimmt weiterhin Formen an.
Vorwärts.
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Yri'lian« (11. Februar 2015, 02:07)