Letzte Rettung [Prequel]
"Geben sie ihm doch verdammt nochmal eine einzige Chance!"
Ihre Stimme durchfuhr den Raum wie eine Wurfaxt. Schnell, wirbelnd und hart gegen ihr Ziel.
"Er ist kein wirklicher Überläufer, Doktor", erwiderte der Captain mit noch ansatzweise ruhiger Stimme. Aber auch er hatte langsam mit der Fassung zu kämpfen. "Sie haben ihn hierhergebracht! Er kam nicht aus eigenen Stücken. Bedenken sie dies bitte."
Drei Tage zuvor.
Der Frontabschnitt Besh-2 war alles andere als geordnet. Viermal hatten Bomber alles daran gesetzt, die Stellungen gänzlich dem Erdboden gleichzumachen. Wenn man über diese Front eines sagen würdee, dann, dass es anscheinend nie genug Bombenkrater geben konnte. Jedenfalls erweckte es allmählich den Eindruck.
Ein Feldlazarett mittlerer Größe war unter einem der Hügel platziert worden. Stollen wurden quer getrieben, verbunden und mit Hohlräumen ergänzt. Das alles bildete ein improvisiertes Lager für Patienten, Personal, Gerät und eine Unzahl an Liegen.
Die letzte Fuhre an Verletzten kam grade von Besh-4 und wurde in den Räumen auf die Liegen verteilt. Sogleich wurde sich sorgsam um die Leute gekümmert. Mit dem ersten Aufkommen von Gewimmer, Gekeuche, Schmerzgeschrei oder Jammern wuchs auch die Betriebsamkeit in dem Hügel in hektische Höhen. Die Geräusche bildeten ein Orchester für June. Kakophonisch und geladen knisterte die Atmosphäre in den Räumen, für manche unerträglich, für andere ein Anreiz, alles zu geben.
Mittendrin stand sie neben einigen Sanitätssoldaten.
"Thoraxtraumata in Raum 2, Bäuche in 3 und Köpfe in 1. Distal anzuordnende Verletzungschemata vorerst in die äusseren Bereiche. Halten sie die Gänge aber frei, falls weitere Transporte kommen, verstanden?" Sie ordete sachlich, klar verständlich und betont ihre Anweisungen.
Es wurde allgemein genickt. "Aye, Ma'am", bekam sie als Antwort von allen. Wie aus einem Mund.
"Gut. Legen sie los!" Die Betriebsamkeit wurde dadurch abermals angefeuert. Menschen eilten zu ihren Plätzen.
Als sie sich grade ebenfalls ins Getümmel werfen wollte, um loszulegen, wurde sie aufgehalten.
"Ma'am?" Ein Soldat in voller Kampfmontur versperrte ihren Weg. Der Schlamm an seiner Rüstung war nicht getrocknet und tropfte zäh von der Armschiene. "Wir brauchen jemanden draussen. Im Gefechtsstand 54 gab es einen Unfall."
Sie versteckte ihre blanke Irritation nicht im Geringsten. "Und was glauben sie, brauchen die Leute hier, Soldat? Sie werden sich da draussen mit einem Sanitäter begnü-..." Er unterbrach sie mit energischer Stimme.
"Doc, ich habe weder die Zeit, noch die Möglichkeit, ihrem Einwand größere Wichtigkeit zuzuordnen! Entweder leisten sie Folge und unterstützen den Befehl, der mir gegeben wurde, oder ich bin gezwungen, sie ohne ihr Einverständnis mitzunehmen. Sie haben die Wahl!" Dem starren Blick des Mannes nach zu urteilen, meinte er es verdammt ernst.
June resignierte nur langsam, nickte schliesslich. "Nun gut. Bringen sie mich hin, ich schau es mir mal an", murmelte sie verärgert. In Begleitung des Soldaten verliess sie das Lazarett, schnappte sich lediglich unterwegs ihre Uniformjacke und eine Tasche.
Keine zwanzig Minunten später landete der Gleiter, mit dem sie transportiert wurde, kreischend in einem der breiteren Gräben, die die Tiefeben durchzogen. Hier tobte das Gefecht noch im vollen Ausmaß. Geschosse schlugen in die umliegenden Hügel ein, trieben aufgesprengte Erdwogen in die Landschaft und hüllten den Rest mit Rauch ein. Immer wieder bebte der Boden durch die Detonationen. Es war kalt, regnerisch nass und der Schlamm kroch bereits nach drei Schritten von oben in die Stiefelschäfte.
Einer der Hügel war anscheinend vor nicht allzu langer Zeit Ziel eines Infanterieangriffs. Überall lagen tote republikanische und auch imperiale Soldaten. Sanis huschten dazwischen umher und Schützen hielten die gegnerische Linie im Dauerfeuer unten. Ein Chaos für alle Sinne.
"Hier lang, Doc", rief ihr zwischen all dem der Soldat immer mal wieder zu und wies ihr den Weg quer durch die tiefen Gräben oder Tunnel.
Innerhalb des Hugels sah es grauenvoll aus. Eine Artilleriegranate hatte die Decke mittig aufgeschlagen und unter den Trümmern lag so ziemlich alles begraben, was zuvor hier drinnen noch kämpfte. Mal lugte eine Hand oder ein Fuß aus dem kleinen Trümmerberg hervor. Die wenigsten hatten darunter vermutlich eine Überlebenschance gehabt. Und selbst wenn, sie kam dafür eh zu spät.
Weiter hinten lehnte ein Wachsoldat neben einer liegenden Person, rauchte dabei ungenierlich eine Zigarette.
Es brauchte nur einen knappen Blick, um den Lichtschwertgriff an der Seite des Verwundeten zu entdecken. Das ist es also, hm? Eine Privatärztin für den Sith sichern. Exklusivrechte für die Obrigkeit, während der Rest um uns herum krepiert. Oh, glorreiches Imperium...
"Tun sie ihr Bestens, Ma'am", raunte ihr der Soldat zu. "Halten sie ihn zumindest solange am Leben, bis ihn sein Meister abgeholt hat. Ansonsten könnte es uns allen den Kragen kosten..." Er starrte sie eindringlich von der Seite an. Sie nickte schlicht und schwieg, ehe sie wortlos mit der Arbeit begann.
Viel war an dem Sith nicht mehr zu machen. Jung war er, menschlich, keine zwanzig Jahre, vermutete sie. Sein Bauchraum wies eine Reihe unschöner, blutender Löcher auf, die bereits unfein rochen. Sie tat, was sie noch tun konnte, stabilisierte den Kreislauf grade so, dass er hoffentlich noch gut eine Stunde durchhielt, drückte eine Arznei nach der anderen in die Venen des Jungen und hoffte - innerlich.
Die beiden Soldaten wandten sich derweil anderen Tätigkeiten zu und entfernten sich, um beim Aufräumen zu helfen.
Grade als sie sicher war, dass der Sith zumindest grundlegend stabil aussah, spürte sie etwas, das sich kalt an ihre Schläfe drückte. Ein Blasterlauf.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie erst jetzt die Gestalt, die sich aus dem Dreck erhoben hatte. Langsam und unscheinbar. Ein Republikaner hatte die Explosion überlebt.
"Keinen Laut", riet er ihr flüsternd und bemächtigte sich ihres Blasters. Sie rührte sich nicht und nickte stumm.
Der Fremde war grob dreissig Jahre alt, sprach balmorranischen Dialekt, wie sie, und sah ebenfalls nicht sehr fit aus. Blut quol ihm aus den rußgeschwärzten Rüstungsteilen. Ein Arm schien angeknackst. Seine Atmung rasselte leise und jede Bewegung bereitete ihm Schmerzen, so schätzte sie.
Trotz seiner Order, besser zu schweigen, wandte sie sich letztlich doch flüsternd an ihn. "Was haben sie nun vor? Glauben sie ernsthaft, dass sie damit durchkommen?" Er stierte an ihr vorbei zu den umherlaufenden Soldaten, kein Wort kam ihm dabei über die Lippen. Panik glitzerte in den geweiteten Augen des Mannes. Er stand unter Schock. War nur zu wenig fähig und spulte dies mehr mechanisch ab. Wahrscheinlich wusste er nun auch nicht mehr weiter, nachdem er June entwaffnet hatte. Sie atmete leise durch und folgte kurz seinem Blick.
"Hören sie. Ich kann ihnen helfen. Sie werden das alles hier überleben, das garantiere ich ihnen. Aber tun sie sich selbst den Gefallen und legen sie die Waffen weg", raunte sie ihm zu. "Wenn sie schiessen, sterben sie. Sie sind verletzt. Lassen sie mich helfen. Bitte!"
Viel kam nicht durch die stockenden Gedankengänge des Soldaten durch, aber er begriff langsam doch, was sie ihm zu erklären versuchte. Der Lauf der Waffe sank nach und nach zu Boden. Erleichterung fiel ihr von den Schultern.
Ächzend liess sich der verletzte Republikaner zurück in seine dreckige Niesche sinken. Die Waffe legte er neben sich zwischen die Steine, achtete nicht mehr darauf. Fast wollte ihn aller Lebensmut auf einmal verlassen. Eine einzelne Träne rann seine Wange hinab und malte auf die Weise einen hellen Strich quer über sein Gesicht.
Sie empfand Mitgefühl für den Fremden, sah, wie er nicht nur körperlich aufgab, sondern schon längst auch seelisch. Er zerbrach förmlich vor ihr und liess alle Hoffnung fahren. Hadernd betrachtete sie ihn, blickte hin und wieder über die Schulter. Seine Maße waren eher durchschnittlich. Die Chance, dass er hier mit einem der Toten verwechselt werden könnte, ist recht hoch. Hm...
Es achtete niemand mehr auf ihre Ecke. Tote lagen genug herum. Sie fasste einen schicksalshaften Entschluss und kroch zu einer der Leichen.
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