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Sci-Fi Delirium

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Samstag, 21. Dezember 2013, 11:15

Delirium

Delirium


Hutta

Es stinkt. Müll, abgestandene Luft und der Geruch eines ungewaschenen Körpers vermischen sich in ihrer Nase zu einem vertrauten Aroma. Ist es schlimmer als früher? fragt sie sich, oder habe ich es damals nur nicht mehr wahrgenommen?

Ihr Blick fällt auf das kleine Fenster an der Ostwand des Raumes. Sie tritt herüber und öffnet es. Der Lärm der Straße dringt augenblicklich hinein, dazu der Dunst von Abgasen und schmutzigem Wasser. Sie seufzt. Süße Heimat. Draußen erklingt ein schrilles Lachen, gefolgt von einigen huttischen Obszönitäten. Hinter ihr raschelt es, eine männliche Stimme murmelt und stöhnt.
Er wird wach.
„Wa...?“ Rasseln in der Lunge, Phlegma wird hoch gehustet und geschluckt. Lauter als früher, gequälter als früher. „Mach das Scheissfenster zu“, murmelt es rau. Sie gehorcht. Der kurze Durchzug wird abgeschnitten, es wird wieder still und stickig. Sie tritt aus dem Lichtschein heraus, welcher sie nur als Silhouette vor dem Fenster abzeichnet und kommt vor dem Mann zum Stehen, der auf einer schmutzigen Matratze in der Zimmerecke liegt. Setzt sich neben ihn auf den Boden und betrachtet ihn.
„Hallo Vater.“
„Du? Wie lange...?“ Er erhebt sich ächzend und starrt sie mit einer Mischung aus Vorwurf, Verwunderung und Scham an. Ist da auch Zuneigung? Freude? Ein bisschen wenigstens?
Etwas in ihrem Innern möchte es glauben. Seine Pupillen sind geweitet, die Augen mit geplatzten Äderchen durchsetzt, die Lekku hängen schlaff und kraftlos, die Haut ist fahl. Um ihn wabert ein Miasma aus Spice, Alkohol und Schweiss.
Sie streckt dennoch die Hand aus und streicht ihm über die Wange. Wann hat sie ihren Ekel verloren? Vor Korriban schon? Irgendwann währenddessen?
„Zwei Standardmonate, Vater“, beantwortet sie die halb gestellte Frage schließlich. „Die Mädchen haben mir den Türcode gegeben, erinnerst du dich?“
Er ergreift ihre Hand und schließt für einen Moment die Augen. Seufzt tief.
„Es verschwimmt alles, Sama*“, flüstert er. „Gestern, heute, morgen – alles eine verdammte Banthascheisse.“
Sie nickt. Das letzte Mal hat er sie für ihre Mutter gehalten und ihr zwei Stunden lang wirres Zeug aus der gemeinsamen Jugend erzählt. Heute ist er weniger high, scheint klarer zu sein. Das kann gut sein - oder schlecht. Es wird sich in den nächsten Minuten zeigen.
„Warum lässt du mich allein?“, wimmert er. „Warum bist du nicht bei mir?“

Er ist schwach, flüstert Korriban in ihrem Kopf. Abfall. Eine Kette, die dich fesselt. Befreie dich von ihm. Sie ignoriert es.

„Du wolltest mich nie wieder sehen. Hast mich beschimpft und aus dem Zimmer geworfen, weißt du nicht mehr?“
„Nein“, murmelt er und es klingt klein, kindisch, verloren. Wann haben sie ihre Rollen getauscht?
Er ergreift ihre Hand nun fester, fast schmerzhaft.
„Hier ist niemand mehr, der sich um mich kümmert, sie haben mich alle fallen gelassen!“
Du hast dich selbst fallen gelassen, Vater. Und du verdammst alle, die dir helfen wollen. Sie spricht es nicht laut aus, weil sie weiß, dass es sinnlos ist.

Sie hat es versucht. Hat versucht, ihn von dem Spice weg zu bringen, dem Alkohol, der Selbstzerstörung. Doch sobald sie ihm den Rücken zudrehte, war er sofort wieder drauf, zugedröhnt und voll bitterer Galle, Hass auf sich selbst und auf sie, weil sie nicht da war, weil sie den Schmerz nicht lindern, den Tod ihrer Mutter nicht ungeschehen machen konnte.

Am Tag, als sie kamen und sie nach Korriban holten, hatte er es teilnahmslos geschehen lassen.
Sie hatte geschrien, geflucht und sich wie eine Wumpratte gewehrt. So lange, bis der Sith, der sie gefunden hatte, sie fast bewusstlos würgte.
„Sieh ihn dir an, kleines Fremdlingsbiest“, hatte er höhnisch geflüstert, die Finger qualvoll in ihre Wangen gebohrt und ihren Blick auf ihren Vater gezwungen. „Sieh ihn an und nähre deinen Hass. Er schafft es nicht mal, sich von seinem Stuhl zu erheben. Dafür willst du sterben? Irgendwann wirst du ihn töten und dich von ihm befreien.“

Nein. Allen Sithlehren zu Trotz, aller Indoktrinierung und aller Bitterkeit, hatte sie ihn nicht getötet, als sie von der Akademie kam. War es Sturheit? Die Erinnerung an bessere Zeiten? Oder nur die innere Gewissheit, dass er ihr die Arbeit schließlich selbst abnehmen würde?

War es Liebe?

Sie schnaubt leise und lauscht ihrem Vater, der mittlerweile angefangen hat, ihr Episoden aus seinem Alltag zu erzählen. Wie üblich springt er dabei wild zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Die Karriere als Fabriktechniker ist schon lange vorbei, aber sie hört gern davon, weil es sie an die guten Zeiten erinnert, als er noch voller Leben war, optimistisch und zufrieden, anders als die leere Hülle, die nun neben ihr sitzt und abwesend ihre Hand streichelt.

Abschaum. Unwert, flüstert Korriban. Zertrete ihn, befreie dich. Der Schmerz macht dich stark.

Irgendwann verebbt der Redefluss. Ihr Vater wird unruhig. Sein Atem geht schneller und ein Schweißfilm bildet sich auf seinem Gesicht. Das Spice lässt nach. Sie weiß, dass es Zeit ist, zu gehen, bevor es hässlich wird, kann sich aber noch nicht lösen. Sie weiß auch, das es hässlich wird, wenn sie jetzt geht. Ihre Beine sind eingeschlafen und beginnen, unangenehm zu kribbeln, als sie die Position wechselt.

Es beginnt.

„Pika**...“ brummt er und lehnt sich nach vorn, blickt ihr flehentlich in die Augen. „Ich will, ich brauche...“ fahrig greift er nach ihrer Schulter, bohrt ihr die Klauen durch die leichte Robe.
„Nein“, sagt sie bestimmt. Sie rührt sich nicht, starrt ihn nur an.
Er zischt durch die Zähne und der Griff verstärkt sich, hinterlässt kleine Wunden auf ihrer Haut. „Sei nich` so eine kalte Schlampe! Als ob dich ein paar Creds jucken, Sith!“ Das letzte Wort ausgespien, ein Fluch, eine Anschuldigung. Monster, sagt es. Dunkles, hartherziges Monster.

Elite der Galaxis, düster, machtvoll und prächtig. So viel mehr als du je sein könntest,
flüstert Korriban.

„Nein“, sagt sie wieder und macht Anstalten, sich zu erheben. Sie muss dringend hier raus. Ihre Beine kribbeln noch immer und sie grunzt irritiert, während sie sich mühsam nach oben hievt. Seine Klauen hinterlassen blutige Furchen auf ihrer Schulter, doch sie ignoriert es.
Sie will nur noch hier raus, bevor – Er brüllt wütend auf und ändert die Taktik, greift nach einem Lek, der über ihrer Schulter nach vorn hängt, während sie auf die Füße kommt, presst ihn zusammen und verdreht ihn brutal. Sie sackt wieder zusammen und keucht vor Schmerz.
„Ich bin dein Vater, du Miststück!“ Eine Drehung. „Ich verlange Respekt!“ Noch eine.
Sie knirscht mit den Zähnen und schwarze Flecken tanzen vor ihren Augen.
Irgendetwas schnappt in ihr. Sie knurrt und Blitze schießen aus ihrem Körper, umschließen ihren Vater, drücken ihn an die Wand. Er zuckt, sein Mund ist aufgerissen, kein Laut kommt hervor.

Respekt gebührt den Starken, flüstert Korriban. Die Macht wird dich befreien. Bring es zu Ende.

„Nein!“ schreit sie. Die Blitze versiegen. Ihr Vater sinkt zu Boden, noch immer bebend, sie fassungslos anstarrend. Monster.

Eine lange Zeit verharren sie regungslos, ihre Blicke aneinander gefangen. Heute wurde eine Grenze überschritten. Von beiden Seiten.
Schließlich erhebt sie sich.
„Ich komme wieder, so bald ich kann, Vater“, sagt sie leise und ruhig. „Pass auf dich auf.“
„Yri...“ flüstert er, seine Augen klar und voller Trauer.
Sie wendet sich ab und verlässt das Zimmer. Das Geräusch der sich schließenden Tür hallt unnatürlich laut in ihren Ohren.

Draußen redet sie noch kurz mit den Mädchen. Drückt einer von ihnen einen Credstick in die Hand, der für ein paar Monate Miete und Essen decken wird, lässt sich wieder und wieder versichern, dass er nichts davon in die Finger bekommt.
Sie versprechen es. Wie immer. Der alten Zeiten wegen. Ihrer Mutter wegen.
Wie betäubt macht sie sich auf den Weg zum Raumhafen.

Sie bemerkt nicht, dass ihr Vater sich aufgerafft hat und hinter ihr her torkelt, an den Mädchen vorbei, die ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung betrachten.
Er bleibt in der Haustür stehen und blickt ihr nach, der kleinen Gestalt, die langsam die Straße hinunter geht.

„Yri...“, flüstert er noch einmal, „Pass auf dich auf...“

---


Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

Der Panther, Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris


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Twi'leki:

*Sama = Tochter
**Pika = Jemand, der dem Herzen nahe ist.

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Hanatra (31.03.2015)

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