Hanatra:
Blind und taub
Das Shuttle wird nicht gänzlich von Dunkelheit umrahmt, als es die Atmosphäre verlässt. Sternenlicht funkelt durch die matte Scheibe, als die schlanke Chassis der Fähre hinaus ins All gleitet, die Triebwerksgeräusche in der ewigen Stille des Weltraums verblassen und nur das dumpfe Brummen der Aggregate im Inneren das Schweigen durchbricht.
Sie sitzt schon lange wortlos in einem Sessel, hatte die erdrückende Robe gegen die leichte Stofftunika getauscht, die ihr wesentlich mehr Atemluft erlaubt. Das Kinn auf einen Fingerknöchel gestützt, wandert ihr Blick durch eine Seitenluke hinaus in die Sternenleere. Die Berater vor ihr unterbrechen währenddessen ihre endlosen Tiraden nicht. Berichte, Rapporte und andere Texte werden an sie herangetragen - für all das hat sie kein Gehör. Die Stimmen vergehen im Rausch ihrer Gedanken zu einem dumpfen Murmeln im Hintergrund...
War es nötig? Bin ich einen Schritt zu weit gegangen und finde mich nun im Labyrinth wieder, dass ich mir selbst geschaffen habe?
Nein, diesmal kein Schmerz. Das anfangende Pochen in ihrer Brust verkümmert direkt, als sie ihr Herz mit dunkler Energie übergiesst, als wolle sie es darin ertrinken lassen. Unruhe erfasst sie dennoch.
Ihr Blick hebt sich, die Berater verstummen sogleich - willens, den Worten ihrer Herrin zu lauschen, statt weiterhin Texte vorzutragen. Ein schwacher Wink zur Tür und die Gestalten verneigen sich tief, ehe sie das Weite suchen. Wieder allein.
Sie lehnt sich zurück, versucht flach zu atmen, um sich die Ruhe auf die Weise selbst einzureden. Es gelingt ihr nicht. Rastlos erhebt sie sich, wandert halb durch den Raum und findet sich an der Luke wieder, durch die sie einen Blick zurück nach Tatooine werfen kann.
Töricht... Närrin! Willst du dir nun wirklich etwas einreden lassen? Willst du dir die Kette direkt selbst umlegen? Die Glieder erneut auf der Haut liegen spüren?
Als ob du ni-... "Ahhhh.... !", keucht sie schmerzverzerrt auf, taumelt, hält sich an einer Stuhllehne fest und sinkt auf die Knie herab. Dieser Schmerz, nicht unbekannt, raubt ihr kurz die Luft. Für einige Sekunden wird es ihr sogar schwarz vor Augen.
"Schwach...", seufzt eine rauhe Stimme gegenüber des Schreibtischs. "So unendlich schwach von dir." Er lenkt seine Schritte um den Tisch herum zu ihr. Elegant, so wie sie sich an ihn jederzeit erinnern würde. Unnahbar, eiskalt, aber eben auch auf eine befremdliche Art faszinierend. Ihr Blick sticht in seine Augen - sucht nicht wie einst, um sowas Undenkbares, wie Liebe, darin auch nur ahnen zu wollen.
"Verschwinde!", zischt sie ihn an. "Niemand hat dich gerufen. Geh!", befiehlt sie, doch es passiert nichts. Er lächelt lediglich kalt zu ihr herab, als er sich neben ihr an die Tischkante lehnt. Ihr dabei zuschaut, wie sie mit dem Krampf in der Brust zu kämpfen hat.
"Nicht nur schwach, sondern auch blind, hm?", schmunzelt er halb zu ihr runter, sich dabei nichtmal die Mühe machend, ihr auch nur die geringste Hilfe zu bieten. So wie damals. "Ich erinnere mich an Zeiten, als du schonmal vor mir knietest, Mädchen. Nur... damals lag wesentlich mehr Leidenschaft in deinem Werk, als ich es heute zu bemängeln erkenne. Wie tragisch. Dabei bist du weiter gekommen, als ich es dir früher prophezeien wollte." Seine Stimme tanzte dabei auf dieselbe Weise, die ihr immer das undurchsichtige Gefühl eingab, nicht zu wissen, wie er fühlte. Ob er sie verhöhnte oder nur seine Traurigkeit zum Ausdruck brachte, damit sie sich zu verbessern verstand.
"Falls du vergessen hast... Du bist tot - ich nicht", spricht sie mehr durch die zusammengepressten Kiefer zu ihm, als weitere Krämpfe ihren Leib durchfuhren. Der Schmerz wird nahezu unaushaltbar. Immer wieder ringt sie mit aufkommender Ohnmacht.
"Sieh es mehr als Mahnung, dass ich durch deine Unachtsamkeit mehr Freiheiten erlangt habe, um dir auf die Art zu erscheinen. Eine Weise, gegen die du jetzt im Moment so ziemlich machtlos bist, nicht wahr?" Der Hohn ist für den Augenblick nur schwerlich nicht herauszuhören. Sie muss sich nach vorn auf dem Boden abstützen, um nicht zu fallen.
"All mein Streben, dich damals aufzubauen, dich zu lehren, Wände einzureissen, Hindernisse zu überwinden oder Wege zu finden, wo andere längst aufgegeben hätten... Das alles gefährdest du, indem du dich nun mit 'Knoten' beschäftigst?", verspottet er sie müde lächelnd, während sie sich kauernd windet. "Und dabei sind es nichtmal Knoten, die in dir weilen, sondern in so einer lächerlich verkümmerten Abartigkeit, wie einer 'Fremdlings-Sith'?!" Sein Mund spuckt grade den letzten Satz verachtend heraus.
"Seit wann hast du eine Vorliebe für Schwache, hm?" Seine Hand vergreift sich tief in ihr Haar, zerrt den Kopf in den Nacken, damit sie ihm in die Augen schauen muss. "Hm?!", fügt er eindringlicher an und funkelt ihr hasserfüllt in die Augen. Ein Fehler.
Nun, da er ihr nahe ist, sie seine Gestalt fühlt, dringt die Energie direkt in seine unwirkliche Präsenz, verformt ihn aufjaulend, bringt ihn in eine versteifte Haltung, als würden Blitze seinen Leib verkrampfen.
Sie atmet leise durch, kann sich endlich aufrichten und dem Drang, sich niederzuwerfen, widerstehen. Eine Geste später ist die durchschimmernde Figur ihres alten Meisters entschwunden.
"Nein... weder bin ich blind, noch taub, 'Meister' ", flüstert sie in den nunmehr leeren Raum. "Aber das ist nicht der einzige Punkt, an dem du dich irrst. Einmal mehr werde ich dich daran erinnern, wie wenig du je über mich wusstest..."
Sie verlässt das Shuttle, als es endlich im Hangar der RED RAVAGE gelandet ist. Lässt die Gedanken in der Fähre zurück. Geht zügigen Schrittes an der kleinen Reihe des Empfangskomitees vorüber und steigt in den Lift zum Oberdeck.
Erst als die Türen sich schliessen, gewährt sie dem halb flackernden Schatten zu ihrer linken einen Seitenblick. Eine Twi'lek, die kaum noch in dem düsteren Dunst der Energien, die sie umgeben, zu erkennen ist.
Pika... Bitte... Die Tolian verblasst, löst sich allmählich wieder auf, wie schon ein paar Mal zuvor. Es gelingt ihr nicht, sich lange hier zu halten.
"Bald...", flüstert sie nur, ehe sie den Fahrstuhl verlässt, um in ihren Gemächern nach Ruhe zu suchen, die ihr nicht vergönnt war.